Sonntag, 24. Mai 2009

Children Of The Black Dust

Eine Kollegin hat mich auf eine ergreifende Foto-Story aus Dhaka aufmerksam gemacht. Es geht um Kinder, die Batterien am Buriganga-Fluss zerlegen. Fotos so wunderschön und schrecklich zugleich:

http://www.flickr.com/photos/81504640@N00/sets/72157605348907561/

Freitag, 22. Mai 2009

Reis

(Reisangebot in Dhaka.)

Etwas ziemlich Wichtiges geht gerade in den Dörfern von Bangladesch vor sich. Während der Grisho-Jahreszeit (insgesamt kennt das Bangla-Jahr sechs Jahreszeiten) wird der erste Reis, das lokale Hauptnahrungsmittel, des Jahres geerntet. Bis zu drei Ernten im Jahr sind auf manchen Böden möglich, die Regel ist zwei. Im Dorf Nahora ziehen die Bauern zuerst kleine Stecklinge aus den Samen, die sie dann nach dreißig Tagen auf dem Feld ausbringen. Etwa 85 Tage brauchen die Pflanzen dann, gut bewässert, um auf den Feldern zu reifen. Seit vier, fünf Jahren benutzen die Bauern in Nahora überwiegend gentechnisch veränderte Hybrid-Samen (Hira, Moina, Jagoron, Sonar Bangla). Bei der Entscheidung dafür stand ganz klar die Steigerung der Erträge im Vordergrund. Die lokalen Sorten bringen 100 bis 120 Gramm pro Pflanze, die Hybridsorten immerhin bis zu 250 Gramm. In Anbetracht der Ernährungssituation, die noch immer nicht befriedigend ist und auch in der Zukunft ein Problem bleiben wird, fällt die Entscheidung gegen die lokalen Sorten natürlich leichter. Auch der lokale Bauer nimmt dann in Kauf, dass er jedes Jahr neues Saatgut braucht. Denn der Nachteil der Hybrid-Samen ist, dass man aus ihnen keine neuen Pflanzen ziehen kann.

Sind die Pflanzen etwa 25 Tage auf dem Feld, sprühen die Bauern mit einer Maschine (eine Art Rucksack) Pestizide auf die Felder, in Nahora zwischen drei und vier Kilo pro acre (ca. 4.000 qm). Das bleibt nicht ohne Folgen: das Abwasser der Felder fließt, verseucht mit Agro-Chemie, ungeklärt in die Flüsse des Landes, mit drastischen Effekten auf die Situation der Wasserversorgung. Selbst für die Bewässerung der Reisfelder wird Grundwasser benutzt, anstatt die immensen oberirdischen Wasserresourcen zu nutzen (weil diese eben durch landwirtschaftliche, industrielle und menschliche Abwässer weitgehend verseucht sind). Die Reis-Bauern in Nahora sind sich dessen zwar bewusst, sind aber eben existenziell vom Erfolg der Reisernte abhängig. Immerhin bleiben noch Hagel und Sturm als unkalkulierbare natürliche Faktoren, die ihre ganze Ernte zerstören können.

(Abgeerntetes Reisfeld in Nahora.)


(Ein Reisbauer in Nahora schneidet mit einer Sichel die Reispflanzen.)


(Nach der Ernte werden die Reiskörner in der Sonne getrocknet.)



(Mit einem Lüfter wird die Spreu vom Reis getrennt.)

Übrigens habe ich Azad mal die Dokumentation "We feed the world"mitgegeben, um sie in seinem Dorf zu zeigen. Leider konnte ich nicht dabei sein und es ist alles auf Deutsch. Von den Bildern her waren die Bauern aber von der Maschine, die industriell Hühner zerlegt, beeindruckt. Irgendwelche moralischen Bedenken hatten die, mit denen ich mich unterhalten habe dabei nicht. Wenn das Geld da wäre, würden sie sich sofort so ein Ding anschaffen. "Wieviel einfacher wäre dann alles?", schwärmen sie.


http://www.daskochrezept.de/rezepte/reis/

Sonntag, 10. Mai 2009

Gedanken an Kafka

(Das Gebäude der Dhaka City Corporation (DCC); Quelle: http://www.banglapedia.net/)


Obwohl mein Projekt nicht in Dhaka arbeitet, sind wir auf einen interessanten Fall von low cost housing (Erschwinglicher Wohnraum) in der Hauptstadt gestoßen, den die lokalen Behörden selbst implementiert haben und von dem wir hoffen, lernen zu können. Für die Recherche zu einem Artikel darüber habe ich einen Termin mit dem Slum Development Officer (SDO) von Dhaka im Verwaltungshauptquartier der 15-Millionen-Stadt. Ein honorabler Job, denke ich mir, dieser Mann muss ein hohes Maß an Courage und Engagement mitbringen. Immerhin schätzt man die Einwohnerzahl der provisorisch aus Blechhütten zusammengebauten Viertel allein in Dhaka auf rund drei Millionen, Tendenz steigend. Einiges ist da zu tun und das nicht erst seit gestern.


Zusammen mit meiner Kollegin, die als Consultant für die GTZ arbeitet, betrete ich das riesige Gebäude, das ein wenig an kommunistische Protz-Architektur erinnert. Mit seinen massive Betonwänden und den langen dunklen Gängen suggeriert das Gebäude der Dhaka City Corporation (DCC) nach außen Macht und Autorität. Was ich jedoch im Innern des Gebäudes erlebe, ist irgendwo zwischen surreal und zum Verzweifeln, in jedem Fall weit entfernt vom Eindruck einer kompetenten Behörde, die irgendetwas anpackt.


Wir betreten das Büro des Officers. Ein etwas feister Mann Mitte Vierzig sitzt da entspannt hinter seinem Schreibtisch. Ein stilsicheres Hemd, das sicher nicht ganz billig war, hat er an, auch die Uhr an seinem Arm sieht teuer aus. Weitere vier Personen sind mit im Raum, nur einer von ihnen ist Angestellter der DCC. Als wir uns dem SDO vorstellen, nimmt er kurz Notiz von uns, wirkt aber abgelenkt. Was wir wollen, fragt er. "Wir arbeiten an einem Artikel zu low cost housing in den Slums", beginnt meine Kollegin. "Wieso kommen Sie da zu mir?", antwortet er. "Auf Ihrer Webseite steht, Sie seien zuständig", erwidert meine Kollegin, "auch am Telefon versicherte man uns das." Etwas nervös greift der SDO schnell zum Telefon, um sich Verstärkung anzurufen, die alsbald in Gestalt eines weiteren externen Mitarbeiters, der von der UN bezahlt wird, erscheint. Derweil beginnen die anderen im Raum, die eigentlich nur zufällig im Büro des Offiziellen sitzen, zu fachsimpeln. Nachdem sich alle Anwesenden nach einigem Pallaver geeinigt haben, dass alle möglichen Abteilungen der DCC für den Hausbau in den Slums zuständig sind, nur nicht das Slum Development Department, ist bereits eine halbe Stunde vergangen. Der eigentlich Zuständige hat in dieser Zeit vielleicht zwei Sätze gesagt, die keinerlei relevante Informationen enthielten. Er sei der einzige Slum Development Officer in Bangladesch, lässt er uns wissen (was Unsinn ist). Ständig unterschreibt er irgendetwas, verlässt den Raum zwischenzeitlich, scheint unsere Anwesenheit aber gar nicht weiter wahrzunehmen.


Einer der Personen im Raum, der zwischen mir und dem Schreibtisch des SDO Platz genommen hat, beantwortet die Fragen, die ich an den Offiziellen zu richten versuche. Er stellt sich mir als Mitglied einer NGO vor, die zu Kinderarbeit in den Slums arbeitet. Ich schaue in Richtung SDO und frage: "Wofür ist das Slum Development Department denn zuständig?" "Wissen Sie, wir kümmern uns vor allem um die Situation der Armen in den Slums in Dhaka", antwortet mir der ungefragte Mittelsmann. "Und was konkret tuen Sie für die Armen?" Derselbe: "Unser Hauptaugenmerk liegt auf der Verbesserung der Situation der Armen." Ein bisschen wie in Kafka's Prozess komme ich mir vor.


Als ich nach dem Budget frage, die erste brauchbare Antwort: 30 Millionen Taka (3,2 Mio. €) im Jahr. "Und wofür geben Sie das aus?" "Vor allem für Straßenbeleuchtung und Fußwege", antwortet erneut der Mittelsmann. Als ich zum dritten Mal darauf bestehe, meine Frage direkt vom SDO beantwortet zu bekommen, blickt mich dieser kurz an. "Wenn Sie auf die Situation der Slums in Dhaka schauen, was hat denn Ihrer Meinung nach Priorität?", frage ich. "Das wichtigste ist, meiner Meinung nach, die Verbesserung der Wohnsituation in den Slums", spricht es vollen Ernstes von hinter dem Schreibtisch. "Gibt es denn geplante Projekte zur Verbesserung der Situation in den Slums?" Deutlicher als ich zu diesem Zeitpunkt erwartet hatte: "Nein." Es folgt ein fünfminütiger Vortrag über Bangladesch, beginnend beim 17. Jahrhundert und wir geben auf. Als wir uns verabschieden, versichert man uns, dass wir selbstverständlich jederzeit wiederkommen können, sollten wir noch Fragen haben.


Die ganze Interviewsituation war derart grotesk, dass meine Kollegin und ich schon auf dem Gang anfangen zu lachen. Auf dem Weg zurück ins Büro, Analyse: saß uns da eben ein gewiefter PR-Stratege gegenüber, der sich, warum auch immer, gekonnt um jede Antwort gedrückt hat? Oder hat dieser Bürokrat einfach nicht die leiseste Ahnung, wofür er verantwortlich ist? Wohl eine Mischung aus beidem, schließen wir. Ich, persönlich, bin enttäuscht, dass ich nicht die gewünschten Informationen bekommen habe und entsetzt, dass die Verbesserung der Straßenbleuchtung als wichtiger angesehen wird, als die Herstellung humanitärer Grundlagen. Meine Kollegin dagegen ist froh, nicht mit diesem Mann zusammenarbeiten zu müssen.

Freitag, 8. Mai 2009

Schulanfang in Nahora


In aller Frühe breche ich, zusammen mit zwei Freunden, auf, um noch einmal das Dorf meines Kollegen zu besuchen. Heute ist Azad's großer Tag. Nach Monaten Arbeit neben der Arbeit und zweifellos zahlreichen Rückschlägen hat er es endlich geschafft: seine Schule ist fertiggestellt. Das ganze Dorf ist zusammengekommen, um heute feierlich den Schulanfang der rund 40 Kinder zu begehen. Kurz nach unserer Ankunft erscheinen auch die Alten, die noch beim Freitagsgebet waren.

(Azad (stehend) bedankt sich bei allen Helfern)

Händeschütteln, kleine Snacks, dann geht es zum offiziellen Teil. Der Union Chairman (Landrat) ist gekommen und Azad's ehemaliger College-Lehrer. Unter einem provisorischen Zeltbaldachin bedankt sich Azad bei allen Anwesenden und den Helfern für ihre Unterstützung. Kleine Reden werden gehalten, auch mein Kollege Matt wird aufgefordert ein paar Sätze zu sagen. Die Schulanfänger sind mit ihren Müttern gekommen, können sich jedoch nur schwer auf die Reden konzentrieren. Viel interessanter sind da die foreigners und ihre Digitalkameras.

(Die feierliche Übergabe der Schulhefte)

Einen nach dem anderen ruft dann Lehrerin Helena die Namen der Kinder auf, die sich dann brav und voller Freude ihre neuen Schulhefte abholen kommen. Auch die Alten bekommen jeder ein Heft zur Ansicht und blättern erstaunt darin herum. Ein kleines Schmunzeln zaubert mir das doch aufs Gesicht. In nur acht Monaten werden die Kinder, so Azad’s Ziel, mehr lesen und schreiben können, als die graubärtigen Männer, die ihr Leben lang Analphabeten geblieben sind. Das Schuljahr in Bangladesch geht normalerweise von Januar bis Januar. Der Bau der Schule und das Warten auf die Zulassung hat aber länger gedauert als gedacht. Noch immer fehlt auch die offizielle Registrierung durch das Ministerium (Ministry of Social Welfare). Da Azad auf Bestechungsgelder verzichtet hat, ziehen sich die Prozeduren in die Länge. Zum Nachteil der Schüler freilich: die müssen, um den Lehrplan zu schaffen, auf ihre Ferien in diesem Jahr verzichten.

(Das erste Mal im neuen Klassenzimmer)

Mit den Heften in der Hand geht es jetzt zum ersten Mal in den neuen Unterrichtsraum. Fünf mal die Woche wird es hier zwei Klassen am Morgen geben und am Abend eine Klasse für arme Frauen, die Grundlagen der Landwirtschaft lernen können. An der Wand entlang setzen sich die Kinder um die Lehrerin herum und warten auf das, was auch in Bangladesch nicht zum Schulanfang fehlen darf: die Zuckertüte.

(Übergabe der, buchstäblichen, Zuckertüte)


Freitag, 1. Mai 2009

Tag der Arbeit

Zum 1. Mai, der auch hier Feiertag ist und mit Demonstrationen gewürdigt wird, ein paar Beobachtungen zu Arbeit in Bangladesch.


(In einem Metallbetrieb in der Nähe vom Hafen von Dhaka.)



(Ein Schuster am Straßenrand repariert für 50 Taka (0,55€ ) meine Schlappen.)




(Kurze Wege zum Friseur. Für 100 Taka (1,10€) gibt es die Rasur und einen Haarschnitt.)




(Ohne weitere Sicherung malern diese Tagelöhner die Fassade unseres Büros im vierten Stock.)



(Drei Männer fixieren ein Rohr für einen Tiefbrunnen in Old Dhaka.)


(Ein Straßenbäcker in Dhaka.)


(Auf dem Bau wird alles von Hand gemacht. Maschinen sind selten.)