Samstag, 18. April 2009

Ausflug in die Hill Tracts


14. April: Bengalisches Neujahrsfest. Mehr Farben, mehr Menschen, in Dhaka bricht der Verkehr völlig zusammen. Selbst die Rickscha-Fahrer, die für gewöhnlich irgendeinen Weg finden, stehen im Stau.
Ich habe Urlaub genommen und mache ich mich am Abend auf den Weg nach Osten. So lange die Temperaturen (obwohl Spitzen von 35 Grad schon vorkommen) es noch zulassen und es nicht die ganze Zeit regnet, will ich mir den Bandarbans-Distrikt, auch bekannt als Chittagong Hill Tracts, ansehen. Die selbstmörderischen Landstraßen und den Stau in Dhaka vermeidend, habe ich mich diesmal für den Nachtzug als Verkehrsmittel entschieden.

(Die Flammen reinigen den Hügel...)

(...und schaffen Platz für die Saat des neuen Jahres)

Ausgeschlafen (das Schlafabteil der ersten Klasse ist durchaus mit deutschem Standard vergleichbar) verlasse ich Chittagong am nächsten Morgen per Jeep. Nach Passieren des Army-Checkpoints, bei dem man sich noch immer registrieren muss, erreiche ich den Bandarbans-Distrikt. Die mich umgebenden Hügel sind nicht so grün wie ich erwartet hatte, manche sind, im Gegenteil, schwarz. In der Ferne steigt Rauch auf. Mit dem Ende der Trockenzeit werden hier traditionell die trockenen Sträucher und das herabgefallene Laub abgebrannt. Die Asche dient dann als Dünger für die Bewirtschaftung der Hügel während der Regenzeit. Angebaut werden vor allem Bananen, Ananas und Tabak.

(Wäsche und Kochen ist bei den Stämmen Frauensache)

Ein kleines Floß bringt mich vom Guest-House in den Ort Bandarban. Entlang des Sangu-Flusses (dem einzigen der Tausenden Flüsse Bangladeschs, der im Land selbst entspringt) waschen Frauen Wäsche und Geschirr, Kinder planschen und winken mir zu. Mehr als fünfzehn verschiedene Stämme und ethnische Minderheiten leben in der Region, die meisten von ihnen siedelten schon lange vor den Bengalen in den Hill Tracts. Äußerlich unterscheiden sie sich deutlich von den Bengalen, sie haben eher birmesische Züge (Arakanesen). Auch kulturell, religiös und sprachlich haben sie mit den Bewohnern des Nachbarlands Myanmar (Birma) mehr zu tun, als mit den bengalischen Bangladeschis. Das Christentum und der Buddhismus ist weit verbreitet. Daher verwundert es nicht, dass Myanmar den größten buddhistischen Tempel Bangladeschs gestiftet. hat.

(Der größte buddhistische Tempel Bangladeschs in Balaghata, in der Nähe von Bandarban. Quelle: Wikipedia, leider hat meine Kamera gestreikt)

In Bandarban läuft gerade ein Wasserfestival, eins der größten sozialen Ereignisse im Jahr. Eine Woche lang wird der Beginn des neuen Jahres feuchtfröhlich gefeiert. Feuchtfröhlich ist hier wörtlich zu verstehen, ist es doch Brauch sich bei dieser Gelegenheit gegenseitig mit Wasser zu beschmeißen (eigentlich Jungs gegen Mädchen). Gut, dass ich mich auch mit einer Flasche Wasser bewaffnet habe, denn die einheimischen Jungs haben keine Scheu mich in ihre Tradition mit einzubeziehen.

(Mädchen nach der Wasserschlacht in Bandarban)

Mit trockenem Hemd und Hose geht es am nächsten Morgen ins Dorf Chimbuk. Der Jeep schraubt sich mühsam die Serpentinen hinauf zu einem Aussichtspunkt von dem aus man, an klaren Tagen, bis Myanmar und Indien sehen kann. Bangladeschisches Militär nutzt die Erhöhung und belauscht von hier aus seine Nachbarn. Im Dreiländereck spielt sich eine Menge Illegales ab, vor allem Schmuggel, in den das Militär selbst verwickelt ist. Seit der Meuterei der BDR-Truppen (der Grenz-"Schutz") im Februar ist diese Einheit wohl nicht mehr an den lukrativen Geschäften beteiligt. Auch gewerbsmäßige Entführungen durch birmanische "Kleinunternehmer" kommen vor. Bablu, der Besitzer unseres Guest-Houses wurde selbst einmal von einer solchen Bande drei Wochen im Dschungel festgehalten. Zudem werden noch Guerillas der Stämme im Urwald vermutet, die sich in der Vergangenheit gegen Dhaka aufgelehnt haben. Die Armee ist daher überall in der Region mit Check-Points und Basen präsent, offiziell zur Gewährleistung der allgemeinen Sicherheitslage. Dass es dabei nicht in erster Linie um die Sicherheit der Minderheiten geht, erfahre ich am Nachmittag.

(Ein Dorf der Mru)

(Im Dorf)

Ein beschwerlich steiler Weg führt von der Straße hinab in ein Dorf der Mru. Eingebettet zwischen Hügeln stehen einfache Häuser auf Bambusstelzen. Wären die Dächer nicht aus Metall und die T-Shirts der Kinder nicht so bunt, könnte man meinen, einige hundert Jahre in der Zeit zurückversetzt zu sein. Die Alten sind nur spärlich bekleidet und tatsächlich bilden die Mru ("Mensch") die Urbevölkerung der Region. Von mir nimmt man kaum Notiz, nur die kleinen Hunde kläffen mich an. Weiße ist man hier gewohnt, jede Woche kommen genügend Touristen, um sich das Dorf anzusehen. Obwohl das Dorf traditionell angelegt und der Stil der Hütten ,jahrhundertealt ist, leben die Mru gerade einmal 15 Jahre an diesem Ort. Weil sie angeblich zu nah an einer der zahlreichen Armee-Basen siedelten, wurden sie von der Armee gezwungen, ihre angestammten Gebiete zu verlassen und hierher umzusiedeln.

(Ein Mann vom Stamm der Mru)

Das war und ist gängige Praxis und folgt Dhaka's Politik der Islamisierung bzw. Bengalisierung in den Hill Tracts. Ähnlich wie China in Tibet, so siedelt die Regierung von Bangladesch gezielt Bengalis in der Region an, die mittlerweile die Bevölkerungsmehrheit im Bandarban-Distrikt bilden. In keiner der staatlichen Schulen werden die Stammessprachen unterrichtet. Dass einige Mru-Eltern ihre Kinder nicht zur Schule schicken, kann als passiver Widerstand gegen den Versuch der Auslöschung ihrer Kultur verstanden werden.
Seit der Unabhängigkeit Bangladeschs von Pakistan (1971) kämpfen die Stämme um die Anerkennung als Minderheit und gegen den Landraub der Regierung (von 1977 bis 1997 auch mit Gewalt). Die Versprechen der Regierung, ihren Teil des Friedensabkommens von 1997 umzusetzen, wurden bisher nicht in vollem Umfang eingehalten. Auch kommt es noch immer zu Menschenrechtsverletzungen zum Nachteil der Stammesangehörigen.

Als ich das Dorf verlasse, verfinstert sich der Himmel schlagartig und es beginnt, worauf die Bewohner seit Monaten warten: der Regen. Majestätisch entlädt sich dis Wasser der Wolken über den Hügeln, um im selben Moment wieder zu verdunsten. Für mich eher ärgerlich, weil ich bis zum Mittag des nächsten Tages im Guest-House verbringen muss, bedeutet die Regenzeit für die Bewohner von Bandarban den Anfang der neuen Anbausaison und das pünktlich zum kalendarischen Neujahrsbeginn. In diesem Sinne also: Shubho nobo borsho! (Gesundes Neues!)



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